Wurden Sie nicht schon Mal beim Betreten eines Gebäudes überwältigt?

Die Raumverhältnisse eines Zimmers, die Aussicht vom Fenster, das Licht und die Farben haben einen großen Einfluss auf die Menschen, auf unsere Gefühle und Gedanken.

Dass unsere Gedanken vom Charakter der Wohnräume abhängig sind, stand auch für Goethe außer Frage: „ Die Erfahrung lehrt uns, daß die einzelnen Farben besondre Gemütsstimmungen geben. Von einem geistreichen Franzosen wird erzählt: il prétendoit que son ton de conversation avec Madame étoit changé depuis qu’elle avoit changé en cramoisi le meuble de son cabinet qui étoit bleu. (Er behauptete, dass der Ton seiner Unterhaltung mit Madame sich verändert hatte, seitdem sie die Farbe der Möbel ihres Zimmers zum Karmesinrot gewechselt hatte).“ ( Goethe, J.W., Sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe )

Rudolf Steiner schrieb, dass unsere Gewohnheiten und Seelenneigungen „davon abhängen, wie die Dinge beschaffen sind, an denen wir vom Morgen bis zum Abend vorbei gehen, unter denen wir vom Morgen bis zum Abend sind.“ 1911 hat er sogar mit dem Neurologen Felix Peipers ein Therapeutikum mit sieben „poetische Räume“ in unterschiedlichen Farben und Formen geplant. Architektur kann man mit dem ganzen Körper, wie Goethe sagte, mit „verbundenen Augen“, wahrnehmen. So hat Fritz Graf von Bothmer in Zusammenarbeit mit Rudolf Steiner die Bothmer Gymnastik entwickelt. Durch eine Reihe von rhythmischen Übungen werden die Qualitäten des Raumes als lebendige Kräfte erlebt. Das intensive Erleben architektonischen Elemente wie zum Beispiel einer griechischen Säule kann die Aufrichtigkeit des Körpers und der Seele verstärken und eine Wirkung auf unser Wohlbefinden haben. Architektur bedeutet nicht nur vier Wände und ein Dach, Architektur kann Therapie sein.